Live vom historischen Dampf-Eisbrecher 

 

"STETTIN":

 

Cuxhaven-Büsum - 27./28. Juni `23 

Open-Ship + Büsumer Kutterregatta-Tage - 17. bis 23. Juli `23

Büsum-Cuxhaven - 24. Juli `23 

Cuxhaven-Hamburg - 25.Juli `23

Ein Bordtagebuch von Sylvia Karasch - Teil 1



Back on Bord der STETTIN - nach mehreren Besuchen im letzten Sommer und im Frühjahr diesen Jahres starte ich einmalmehr, den historischen Dampf-Eisbrecher auf seinen Gästefahrten und Aktionen zu begleiten -  im Juni und Juli `23  von Cuxhaven nach Büsum, zu den Open-Ship-Tagen und Regattafahrten während der berühmten Büsumer Kutterregatta-Tage, und über Cuxhaven zurück nach Hamburg.

Volle 12 Tage historisches Seefahrtsgeschehen pur, eine Vielzahl von unvergesslichen Erlebnissen, Eindrücken und Begegnungen. Mein mehrteiliges Bordtagebuch zeigt die einzelnen Stationen auf.

Viel Spaß beim Lesen, Miterleben und Nacherleben:

 

Eine nicht ganz ruhige Fahrt über die Nordsee von Cuxhaven nach Büsum im Juni `23 

 

BORDTAGEBUCH "STETTIN"/Teil 1 - Cuxhaven-Büsum - 27./28.Juni `23

 

Cuxhaven, Steubenhöft, 27. Juni `23:

 

Über Rendsburg von der Kieler Woche kommend, macht die STETTIN gegen 19.00 Uhr am Steubenhöft im Cuhavener Hafen fest. Um die "Lage zu peilen", wie man so schön sagt, gehe ich sofort an Bord. Sehr herzlich werde ich von Crewmitgliedern begrüßt, die ich schon von früheren Aktionen auf der STETTIN kenne, von Bootsmann Jörn Stirnal, Servicemann Jochen, der sich selbst gern als "Frühstücksmajor" bezeichnet (weil er für Mannschaft und Gäste morgens ein hervorragendes Frühstück in der Messe ausrichtet, wenn er an Bord ist), von Edda und Erdmuth, die wieder ihren Platz an der "Slapskiste" eingenommen haben, und vielen anderen.

 

Dazu sollte man wissen: die Crew der STETTIN setzt sich ausschließlich aus ehrenamtlich tätigen Mitgliedern des Vereins Dampfeisbrecher Stettin e.V. zusammen, die wechselnd im Einsatz sind, wann immer sie Zeit haben. 

 

Es ist fast ein bisschen wie "nach Hause kommen" an diesem Abend an Bord des Schiffes: herzlich willkommen fühle ich mich, irgendwie dazugehörig, sitze mit in der Runde beim "Hafenbier", das auch gern eine Cola sein kann oder ein "Kanalwasser" (Cola/O-Saft) und immer dann gemeinsam im Tresenbereich des Bootsdecks getrunken wird, wenn an Bord alle Arbeiten erledigt sind und der Feierabend eingeläutet wird. Dabei wird geklönt und gelacht, werden die neuesten Neuigkeiten ausgetauscht. Und man lernt immer wieder neue Mitglieder der Crew kennen: diesmal zum Beispiel die Niederländer Arian und Gerard (siehe Foto unten rechts Mitte), die in der Regel nur einmal im Jahr ihren Dienst als Heizer versehen.

Mit Vorfreude auf das Auslaufen nach Büsum am nächsten Tag übernachte ich im Hotel - (die Zahl der Kojen an Bord ist begrenzt, hier können nur vom Heuerbaas eingesetzte Mannschaftsmitglieder schlafen) und träume von einem Törn über die Nordsee mit richtig gut Wellengang ...

 

Von der Kieler Woche über Rendsburg kommend liegt die STETTIN am 27.Juni an der Pier in Cuxhaven

Service-Crewmitglied Jochen (links) freut sich mit seinen Heizer-Kollegen auf den Feierabend


 

Cuxhaven, 28. Juni `23 - Cuxhaven Steubenhöft:

 

An Bord herrscht reges Treiben: die Vorbereitungen zum Ablegen laufen auf Hochtouren, das Ablegen selbst verzögert sich tidebedingt; die STETTIN muss bei Flut in Büsum ankommen, weil bei Ebbe durch zu wenig Wasser im Hafenbecken die Gefahr des Festsetzens im Schlick besteht. Bootsmann und Steuermann Nils Herforth setzt noch rasch eine spontane Rettungsübung an, damit im Ernstfall alles sicher ablaufen kann: in Windeseile werden die Rettungswesten verteilt, erfahrene Crewmitglieder helfen beim Anlegen. Auf dem Vorschiff werden Löscharbeiten geprobt, alles klappt wie am Schnürchen. Ein beruhigendes Gefühl für Fahrgäste und Crew, von "Titanic-Stimmung keine Spur, aber noch liegt der Eisbrecher ja auch auf vollkommen ruhigen Wasser im Hafen. Decksfrau Gynna putzt mit einem Kollegen der Decks-Crew noch Tische und Bänke auf dem Bootsdeck - die bevorzugten Plätze der Fahrgäste - und dann heißt es gegen 13.30 Uhr endlich: "Leinen los", ablegen, auslaufen und auf die offene See hinaus, die Fahrt übers Meer nach Büsum beginnt ...

 

An Bord gibt es eine spontane Rettungsübung - das korrekte Anlegen der Rettungswesten ist

im Notfall entscheidend!

Tidebedingt etwas später als geplant heißt es gegen 12.30 Uhr "Leinen Los!" -  und mit einem letzten Blick ... 

... durch die Cuxhavener Hafenausfahrt ...

Vorm Ablegen wird an Deck noch eifrig geputzt, werden Wasser und die Rußspuren entfernt, damit die mitreisenden Gäste sich wohl fühlen

... über die Reling auf die Cuxhavener Kohleberge an der Pier geht´s los Richtung Büsum

... aufs offene Meer hinaus!


Zunächst noch bei mäßigem Wind und leichter Dünung ist es ein herrliches Gefühl, das nur leicht rollende Schiff unter sich zu spüren, übers Wasser bis weit zum Horizont zu schauen, sich den frischen Nordseewind um die Nase wehen zu lassen und den Worten der Brückencrew zu lauschen, die über das Bordmikrofon kurze Erklärungen abgibt, was um uns herum so alles zu sehen ist, die Insel Neuwerk zum Beispiel, verschiedene vorbeifahrende Schiffe, oder auch Wrackteile der "Ondo": der englische Stückgutfrachter strandete 1961 in der Elbmündung im tückischen Mahlsand, seine Überreste konnten bis heute nicht vollständig geborgen werden und sind bei Niedrigwasser und klarem Himmel noch immer gut sichtbar. 

 

An der "Slapskiste" auf dem Bootsdeck kann man sich bei ServiceFrau Edda zu äußerst moderaten Preisen leckere frisch belegte Brötchen holen, Kaffee, Tee, Kartoffelsalat und Würstchen und vieles mehr. In der frischen Nordseeluft schmeckts an Deck der "STETTIN" gleich doppelt gut ... 

 

An der "Slapskiste" kümmert sich Edda aus der Service-Crew um das leibliche Wohl der STETTIN-Gäste, mit ... 

... Kartoffelsalat und Würstchen, Kaffee, Tee und leckeren belegten Brötchen


 

Wer noch schnell eine warme Jacke braucht oder ein paar Souvenirs zur Erinnerung mit von Bord nehmen möchte, ist bei ServiceFrau Erdmuth an der richtigen Stelle: sie berät in Sachen Kleidungsfragen und -größen und hilft bei der Essensausgabe mit aus, wenn der Gästeandrang mal wieder besonders heftig ist.

Zwischendurch werfen wir mal rasch einen (Kamera)Blick auf die Brücke und schauen Kapitän Uli Birstein, Steuermann Dirk und Rudergänger Wolfgang gespannt bei der Arbeit zu. Bewundernswert, wie diese Brückencrew total unaufgeregt, präzise und entspannt die Geschicke der "STETTIN" leitet!

 

Erdmuth, ebenfalls aus der Service-Crew, sorgt für den Verkauf von Postkarten, Souvenirs und maritimer Kleidung mit eingesticktem STETTIN-Emblem

Auf der Brücke führen Kapitän Uli Birstein (Mitte), Steuermann Dirk und Rudergänger Wolfgang Gädicke (vorn) die STETTIN über die zeitweilig recht stürmische Nordsee - 


Inzwischen nimmt der Eisbrecher Fahrt auf und ich schaue mal rasch durch die noch geöffneten Luken auf dem Hauptdeck zum Maschinenraum:

 

 

 


Auch das ein Erlebnis: das Stampfen der Maschine, das das Schiff vibrieren lässt, gleich hinter der Reling die wogenden Nordseewellen, dazu der frische salzige Wind, der um die Nase weht, das ist ein ganz besonderes Gefühl von Abenteuer und Freiheit! Fast unbeschreiblich schön. Und ebenso unvergesslich! Man muss es erlebt haben ...

Je weiter wir aufs Meer hinaus kommen, umso heftiger werden Wind und Wellen. "Ausläufer eines Unwetters in

Irland sorgen für starke Dünung", erklärt mir Kapitän Uli Birstein, beruhigt aber sofort: "Schlimmer wird es nicht ...!"

 

So bleibe ich wie geraten auf der Bank im überdachten Tresenbereich, passe meine Körperhaltung dem Hin- und Herwiegen des Schiffes an, das klappt ganz gut. Im Gegensatz zu einigen Fahrgästen werde ich nicht grün im Gesicht.

Als ich aber kurz aufstehe, um zur "Slapskiste" zu gehen, komme ich bei einer besonders starken Welle allerdings etwas ins Schleudern und lege mich mal kurz auf dem Deck lang. 

Maibrid, Crewmitglied im Service (links im Foto links), bereits seit vielen Wochen an Bord mit Ehemann Dierk, hilft mir auf und wir trinken auf den Schreck erstmal einen Pott Kaffee.

Glück gehabt. bis aus einen blauen Fleck am Knie nix passiert. Aber ein Beispiel dafür, dass es auf See auf einem Dampf-Eisbrecher auch mal etwas ruppiger zugehen kann, wenn Wind und Strömung für entsprechende Wellen und Dünung sorgen.

 


Weiter geht´s auf der Fahrt über die Nordsee, die für meinen Geschmack leider viel zu schnell zu Ende geht! Es gibt so viel zu sehen an Bord, so viel Neues zu entdecken, so viel Interessantes mitzuerleben, wenn man beispielsweise den Crewmitgliedern bei ihren Tätigkeiten an Bord zuschauen darf. (Dazu mehr in den nächsten Folgen meines Bordtagebuchs, versprochen). Nach rund sechs Stunden kommt Büsum in Sicht und ich darf auf der Brücke dabei sein, als Kapitän, Steuermann und Rudergänger das Einlaufmanöver zum Büsumer Vorhafen starten. Ein nicht ganz unkompliziertes Unterfangen, das eine ungeheure Präzision erfordert, wie das nachstehende Video zeigt: 

 

"Feuer aus" heißt es dann, als die STETTIN an Ihrem Liegeplatz im Büsumer Vorhafen festgemacht hat. Für die nächsten drei Wochen herrscht Ruhe in der Heizkammer und im Maschinenraum, bis nach den Open-Ship-Tagen während der Büsumer Kutter-Regatta-Tage die Gästefahrten wieder starten.

Einige Crewmitglieder kommen neu an Bord (Foto unten links) - der Einsatz der ausschließlich ehrenamtlich tätigen Decks- und Serviceleute, Heizer, Maschinisten und Nautiker richtet sich danach, wie viel Zeit sie neben ihrem Alltag in die Bordarbeit investieren können. Andere wiederum verlassen das Schiff in Büsum, um ihren Jobs oder ihrem privaten Alltag nachzugehen. Wie Heinrich aus Oldenburg (Foto unten rechts), von Beruf Gabelstapelfahrer, der im April diesen Jahres als Decksmann angeheuert hat.


Auch Hannah, seit 3 Jahren als Heizerin auf der STETTIN im Einsatz, wenn es das Studium der 23-jährigen

zeitlich zulässt, geht in Büsum erst einmal

wieder von Bord ...

... ebenso wie Jens, IT-Projektleiter, der erstmalig auf der Kieler Woche seinen Einsatz als Maschinen-Assistent absolvierte, mit dem Ziel, sich künftig als Maschinist einbringen zu können.


 

Nach einem letzten gemeinsamen "Bescheid" - das ist die interne Bezeichnung für das gemeinsame Essen in der Messe - gehe ich von Bord. Noch immer leicht schwankend, was ganz normal ist nach einem Tag mit Wellengang auf See, wie mir gleich mehrere Crewmitglieder erklären. Schon von diesem ersten Tag des Reportage-Törns "STETTIN in Büsum" bin ich mental total belegt und angenehm berührt. Gleichzeitig total gespannt, was mich erwartet, wenn ich am 16. Juli zu den Open-Ship-Tagen wieder aufs Schiff komme. Ich werde berichten ...

Bis dahin grüßt mit einem zünftigen "Moin" -

Sylvia Karasch

 

Fortsetzung in Kürze - klicken Sie gern immer mal wieder rein, das Bordtagebuch wird laufend fortgeführt und ergänzt!

 

Abendstimmung in Büsum: der Dampf-Eisbrecher an seinem Liegeplatz im Vorhafen (Nato-Kai)

 


Logo:  Dampf-Eisbrecher STETTIN e.V., Hamburg

Videos + Text: Sylvia Karasch, Netzwerk Norddeutschland 

Fotos: Sylvia Karasch, Sythana Karsch (1)

Nautische Beratung: Wolfgang Gädicke